Thailand 2022 – Strand

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wan yii-sip-ed (Tag 21)

Ich habe mir heute überlegt, ich werde einen Artikel schreiben, mit dem Titel: “Der Himmel über Thailand”. Mir ist heute etwas Bedeutendes klar geworden: die Welt wird nicht wieder so, wie sie vorher mal war!

Immer wieder ist ja die Rede von einem Zeitenwandel, und dass die Welt sich verändern muss. Ich habe mich immer gefragt: Wie soll das gehen? Wie sollen all die vielen Menschen auf einmal ihre Gewohnheiten ändern? Wie soll es gehen, dass die Menschen plötzlich nicht mehr für eine Woche mal eben nach Thailand an den Strand jetten? Wie bekommt man die Menschen dazu nicht mehr so viele Auto zu fahren? Wie soll auf einmal ein neues Bewusstsein entstehen?

Heute ist es mir klar geworden. Wir sind mitten drin. Und hier in Thailand sind die Zeichen sowas von deutlich. Nicht unbedingt bei den Reisbauern im Isan. Aber hier auf der Ferieninsel Koh Samui im Golf von Thailand. In Erwartung, dass die Welt hier noch in Ordnung ist, bin ich heute ganz vom Norden, ganz in den Süden von Thailand geflogen, natürlich mit einem Flugzeug, weil ich ja nicht mehr so viel Zeit habe.

Was habe ich erwartet? Das erste Mal war ich auf dieser Insel Ende der 80-ger, wir haben in einer Bambushütte mit einem Blätterdach direkt am Strand gewohnt. Kein Strom, kein Badezimmer, nur ein paar Meter und schon lag man im warmen Meer, von sanften Wellen getragen. Das Paradies? Damals hätte ich es wüst abgestritten. Nein, hier ist viel zu viel Kommerz, hätte ich damals gesagt. Auf der Suche nach dem “Ursprünglichen” sind wir mit unserem Rucksack auf die Nachbarinsel gefahren und haben dort die Ruhe gefunden, die wir suchten. Wir haben uns bedienen lassen, die Einheimischen haben unsere Wünsche von den Lippen abgelesen, auch wenn sie es nicht verstanden haben, wie man so sein kann. Da habe ich das erste mal das Wort “Farang” gehört. Der Ausländer, … ein fremdes Wesen. Aber er bezahlt gut.

Heute bin ich an diesem Strand entlang gelaufen, und konnte ihn aber nicht mehr sehen. Neben der Straße, die damals nur aus einem Feldweg bestand, habe ich nur hohe Mauern gesehen, eine Hotelanlage nach der anderen. Später, als es schon dunkel war, habe ich einen Weg gefunden, dunkle Stufen hinab zum Strand. All die Hotels sind verwaist, es sind keine Ausländer mehr da. Kein Licht erhellt mehr den Strand, keine westliche Musik ertönt mehr, es gibt weder Sonnenschirme noch Sonnenliegen. Stattdessen Müll und Unrat, und ich allein am dunklen Strand. Welch eine Ironie: heute sitze ich wieder ohne Strom am Strand und der Mond erhellt das Meer. Aber das vermeintliche Paradies hat einen bitteren Geschmack bekommen.

Das Zimmer, das ich schon vom Flughafen aus über booking.com gebucht habe, hat sich auf einmal zu einer Suite gewandelt. Der Mensch, der sie ursprünglich gebucht hat, ist nicht aufgetaucht, jetzt darf ich sie nutzen, ohne Aufpreis. Und ich bin in dem ganzen Haus allein, was für ein Luxus. Danach hätten wir uns doch früher immer gesehnt ;-), oder?

Leider ist kein Restraurant mehr vor der Tür, ich muss über einen Kilometer laufen. Da sehe ich schon das ganze Ausmaß. Auch hier ist alles geschlossen, das Reisebüro ist ausgeräumt, die Bäckerei hat nur noch leere Regale und das Schild “Geschlossen” im Fenster. Links die große Ferienanlage ist leer, nur der Pförtner sitzt noch in seinem Häuschen und wartet. Und überall stehen die Schilder: “Zu Verkaufen”. Das ist gespentisch.

Im Restaurant habe ich richtig lecker gegessen, ausser mir war nur noch ein älterer Farang da, der wohl jeden Abend herkommt und sein Bier trinkt, der gehört schon zum Inventar. Nach einiger Zeit bin ich mit dem Thai, der mich bedient hat ins Gespräch gekommen. Er ist vor 20 Jahren, gleich nach der Schule vom Isan hier in den Süden gekommen, seine Schwester hat hier schon gelebt und gearbeitet. Nur selten fährt er noch mal zurück in seine Heimat, von der er aber leuchtende Augen bekommt, je mehr wir darüber reden. Ich frage ihn, was denn hier los ist, wo sind all die Farangs? Das ist leider sehr schwierig, sagt er, im Moment geht es hier nur noch ums Überleben, er freut sich, wenn er noch etwas zu Essen hat. Zum Abschied fragt er mich nach meinem Namen, er heißt Dtii, und ist immer von 3 bis abends um 9 hier, ausser am Sonntag, da lohnt sich das wirklich nicht mehr. “Pop gan mai” (lass uns bald wiedersehen) sage ich zum Abschied.

Später am dunklen Strand, ganz allein, ohne Musik und ohne Party, kommt es mir auf einmal wieder so vor wie früher. Der Mond scheint und die Wellen plätschern. Kein grelles Licht stört diese ruhige Szene. Und vielleicht soll es ja wieder so werden?, schießt es mir durch den Kopf. Was, wenn die vielen Touris für immer ausbleiben? Erst Corona, dann Krieg, wer weiß was danach kommt? Die großen Hotels haben schon längst das Weite gesucht, hier wird verkauft was geht. Nur die, die von Anfang an hier waren und die mit wenig auskommen, weil es ja früher aus so war, die sind noch da. Es ist zwar bitter, aber vielleicht gehört ihnen hier die Zukunft, nur ganz anders, als bisher.

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wan tii yiisip-soorng lea yiisip-saarm (Tag 22 und 23)

Ich bin angekommen am Strand, … hier gibt es noch Ausländer, auch wenn es wenig sind, sehr viel weniger, als früher, aber hier scheint es noch so ein bisschen zu sein wie früher.

Ich habe natürlich die Sonne überschätzt, bisher war ich ja auch ganz anders unterwegs, mehr in Städten und im Bus oder Auto, so habe ich mich gleich am ersten Tag sonnenverbrannt.

An diesem Strand war ich vor 33 Jahren das erste mal. Doch ich habe ihn wiedererkannt! Natürlich ist alles zugebaut, aber davon steht die Hälfte leer oder ist verfallen. Auch in diesem letzen Refugium ist der Wandel nicht zu leugnen. Und ich habe den Eindruck, einzig die Familienunternehmen haben hier noch geöffnet, oder wieder. Aber ich war bisher nur an diesem überschaubaren Strand.

Erschreckend, wie schnell ich mich angepasst habe, an den “Strand-Modus”: in den Tag leben, keine Termine, kein Bus wartet auf mich, ich kann machen was ich will. Früher konnte ich das über Monate, aber mir bleiben nur ein paar wenige Tage.

So bereite ich mich langsam, … gaaanz laaangsam auf die Rückreise vor. 😉

P.S. Habe gerade nochmal die Fotos angeschaut, … es stimmt nicht. Ich weiß nicht, wie ich die Situation hier einfangen soll? Es haben gerade mal die ersten Bungalows wieder geöffnet, in den Restaurants herrscht gähnende Leere, am ganzen Strand sind vielleicht max. 50 Ausländer, vorher waren es bestimmt 800 – 1000. Also auch wenn es schön aussieht, hier herrscht der Überlebenskampf. Und dies ist der Strand, der im Internet noch am besten angepriesen wird, … nach der Krise.

wan tii yiisip-sii tii yiisip-hok (Tag 24 – 26)

Morgens bin ich noch an den Nachbarstrand gelaufen, und auf dem Rückweg habe ich gedacht, ich hätte mich nachts bei dem Ventilator im Bungalow verkühlt, weil ich so ein Halskratzen hatte. Nach dem Mittagessen kam mir das komisch vor und ich habe vorsichtshalber einen Schnelltest gemacht. Man hat ja schon Routine und beim Erscheinen des ersten Striches ist ja schon alles klar, … aber nach einiger Zeit tauchte da ganz leicht ein zweiter Strich auf, der sich dann immer mehr verfestigte. Oh Gott, was jetzt?

Selbst nach dem ersten Schreck, wollte ich es noch nicht glauben, in drei Tagen geht mein Flug nach Hause. Aber hilft ja nichts, da muss Gewissheit her, ich brauche einen PCR Test. Das Taxi in die Stadt ist recht teuer, also habe ich schon mal meine ganzen Sachen gepackt. Im Krankenhaus kam ich sofort ins Quarantänezimmer und ab da hatte ich sowieso nicht mehr mitzureden. Der Verdacht hat sich bestätigt, ich habe Corona und muss jetzt für 10 Tage in Quarantäne bleiben, und da lassen die auch nicht mit sich handeln, von wegen nach dem 5. Tag noch einen PCR-Test – keine Chance.

Das Privatkrankenhaus hat mich ins öffentliche Krankenhaus verwiesen, weil ich nicht dort in einem Krankenbett bleiben wollte. Es hat sich noch bis zum Abend hingezogen, die Aufnahme dort bedindet sich unter freiem Himmel: “You inschurennz?” “”What?” O.k. – dann haben sie erstmal jemanden geholt, der gut Englisch spricht. Natürlich habe ich eine Insurance, ohne eine Reiseversicherung hätten sie mich ja gar nicht ins Land gelassen. O.k. – we have Hospital-Hotel – no plomblem. Sie wollten 240,- € pro Nacht. Gut, dass ich nochmal bei meiner Versicherung nachgefragt habe, sie übernimmt nämlich nur bis zu 120,- €. O.k. – you wait. Dann wurde lange telefoniert – o.k. no plomblem.

So hat mich abends im Dunkel noch ein Krankenwagen hierher gebracht. Wenn die Fahrt berghoch und bergrunter und wie wild um die Kurven geht und man nicht rausgucken kann, dann wird einem erst richtig schlecht.

Nun sieht es so aus, dass ich in einer Bungalowsiedlung gelandet bin, ich habe einen Steinbungalow mit Klimaanlage, eigenem Bad und Veranda. Eine ganze Reihe von Bungalows abgesperrt mit rot-weißem Band (bestimmt 15 Stück) sind belegt mit Corona-Infizierten, bis auf eine junge Frau aus Deutschland sind das alles Thais. Hier genesen die Thais, die auch eine Versicherung haben. 😉 Und ich darf sogar im Meer baden gehen, wenn ich mich von anderen Leuten fernhalte. Über den Messenger “Line” (kannte ich bisher auch nicht, das ist WhatsApp aus Japan) habe ich einen direkten Kontakt zum Krankenhaus. Morgens muss ich immer die Temperatur, den Sauerstoffgehalt und den Blutdruck durchgeben. Zusätzlich ist direkt vor Ort immer eine Nurse, die im Notfall schnell eingreifen kann. In Deutschland wäre ich nicht so gut versorgt worden.

Also Fristverlängerung des Urlaubs um 10 Tage. Zum Glück geht es mir ganz gut, ich habe einen sehr milden Verlauf. Und jetzt habe ich gaaanz viel Zeit. 🙂

Quarantäne bis zum 26.03.

Jeden Morgen mache ich Bilder von meinem Blutdruck, der Temperatur und dem Sauerstoffgehalt und schicke sie per Messenger ins Krankenhaus. Bis jetzt kann ich mich gut beschäftigen, dank des guten Internets kann ich Videos schauen, es läuft gerade der Pioneers-of-change-Congress, ich lese viel, oder chatte über Signal oder Threema.

In ca. zwei Stunden wäre ich heute wieder in Deutschland angekommen, nun muss das noch etwas warten. Ab morgen stehe ich wieder meinen Kunden zur Verfügung, ich habe die Anrufe schon auf mein Handy umgeleitet, bin mal gespannt, ob das alles so funktioniert.

Habe mal ein paar Bilder gemacht von meinem Bungalow und der schönen Terrasse davor, der Ausblick ist schön, und das Meer superwarm. Wer soll sich da noch beschweren?!

So, jetzt im Nachhinein war die Quarantäne genauso, wie jeder andere Moment auf meiner Reise, eine sehr wertvolle Zeit. Was ich vorher vermisst habe, konnte ich in dieser Zeit aufholen: absolute Muße, in den Tag leben, Kontakte knüpfen zu den Nachbarn, Zeit zum Thai lernen, intensive Beschäftigung mit mir selbst und den momentan wichtigen Fragen in meinem Leben. Es ist, als hätte ich eine Verlängerung bekommen, weil ich noch nicht fertig war. Diese Zeit macht die Reise erst richtig rund. Vielleicht sollte ich mir das merken – jede Reise braucht auch mal einen festen Ort, wo für eine gegebene Zeit nichts anderes ansteht.

In dieser Zeit sind mir Menschen ans Herz gewachsen:

Meine Nachbarn zur Linken, ein thailändischer Vater mit seinem Sohn. Zuhause haben sie ein Baby und noch zwei weitere Kinder. Seine Frau kommt jeden zweiten Tag nach Feierabend und bringt Essen vorbei, denn nur der Sohn ist infiziert, der Vater selbst nicht. Wie beschäftigt man ein sechs oder siebenjähriges Kind den ganzen Tag im Bungalow? Vormittags hat er Online-Unterricht, aber nachmittags? Natürlich gab es täglich Auseinandersetzungen und der Vater musste auch mal durchgreifen, aber ich habe gestaunt, wie die beiden sich zusammengerauft haben. Vielleicht haben sie es auch beide genossen mal allein miteinander zu sein, in der sonst großen und turbulenten Familie. Wir sind über meine Thai-Kenntnisse in Kontakt gekommen, denn weder Vater noch Sohn konnten Englisch sprechen. Ich habe dem Sohn immer meine Saftpackungen geschenkt und sie haben mich mit frischem Obst versorgt. Und auch wenn wir nicht viel geredet haben, so war der Abschied doch ein ganz besonderer.

Das ganze Drumherum-Personal. Erst wenn man selbst still wird und sitzen bleibt, bekommt man mit, was um einen herum alles passiert. Da ist der Hausmeister, der von morgens bis abends sich um das Gelände kümmert, aufräumt, fegt, die toten Palmenwedel entsorgt, die Gärten pflegt und wässert. Er hat einen kleinen Hund, der ihm ständig um die Füße wedelt, und wenn der Hausmeister Besorgungen macht mit seinem Moped, dann kommt der Hund in den Fussraum und fährt mit. Dann sind da die Krankenschwestern, sie bewohnen einen eigenen Bungalow zu dritt, nur eine kann wirklich Englisch sprechen, dafür ist sie ein Seele von Mensch. Sie sind rund um die Uhr verfügbar und machen einen bewunderswerten Job. Denn sie sind nicht nur Pflegerinnen, sondern Ansprechpartnerinnen für alle Belange. Dann gibt es noch den X-Ray-Man, der alle drei Tage die Röntgenaufnahmen macht, in einem leeren Geschäft, wo provisorisch nur das Röntgengerät steht und nichts abgeschirmt ist. Der Mensch tut mir leid – gesund ist das bestimmt nicht. Und der Mann, der dreimal am Tag das Essen bringt und Besorgungen aller Art macht, für die die sonst niemand haben, wie ich zum Beispiel. Dann gibt es noch eine Krankenschwester, die nebenbei die Bungalows putzt, das klappt nicht wirklich, weil sie ja auch gar keine Putzfrau ist. Und zum Schluss hat eine kleine Bude in der Straße geöffnet, wo eine Frau als Mini-Unternehmerin Frucht-Shakes verkauft hat. Das Geschäft lief am Anfang nicht wirklich, da hat sie vor dem Stand Sand aufgeschüttet, wo ihre Kinder noch spielen konnten, denn die müssen ja auch betreut werden.

Schließlich habe ich meine Papiere bekommen und durfte gehen. Trotz meiner Luxus-Quarantäne wird mir wieder bewusst, wie wertvoll die Freiheit ist.

wan saamsip-haa tii saamsip-hok (Tag 35-36)

Ich habe noch zwei Tage, bevor mein Flieger mich wieder nach Deutschland bringt. Den ersten Tag bzw die erste Nacht bleibe ich noch auf Koh Phangan in der Hafenstadt Thong Sala. Ich habe eine ganz besondere Unterkunft, bei einem griechischen Pärchen mitten in der Straße des Samstagabend-Night-Markets. Ich genieße das bunte Markttreiben und kaufe kleine Mitbringsel für Zuhause.

Für die letzte Nacht fahre ich schon mal zurück auf die Insel Koh Samui, ich nutze den Tag für einen Besuch beim Friseur und einen kleinen Ausflug zum Big Buddha Tempel. Es ist ganz schön heiss, selbst nur beim herumsitzen schwitzt man schon.

Es gibt noch schöne Ecken auf Koh Samui, das sagt man ja von Mallorca auch. Der Leerstand ist trotzdem sehr bedrückend. Die Straße ist laut und dreckig, ich gehe vorbei an riesigen Hotelressorts, die den Blick auf den Strand versprerren und zur Straße nur aus einer riesigen Mauer bestehen. Um es einfach mal kennenzulernen, habe ich mir ein Zimmer in solch einem Resort genommen, eines der kleineren Sorte, aber es reicht schon mal zum schnuppern. Es gibt einen Pool von dem aus man auf das Meer blicken kann. Ansonsten ist es austauschbar mit anderen Unterkünften in der Türkei, in Spanien oder anderen touristischen Orten. Mir ist es zu unpersönlich, ohne einen wirklichen Charme.

wan garn djark pai (Tag des Abflugs)

Am 28. März fliege ich zurück, erst von Koh Samui nach Bangkok und 6 Stunden später mitten in der Nacht nach Deutschland.

Ich freue mich wieder Zuhause zu sein, Ruth holt mich vom Flughafen in Bremen ab. Es ist frisch draussen, aber nicht unangenehm, eine willkommene Abkühlung nach den letzten heißen Tagen in Thailand. Die Eingewöhnung dauert etwas, und plötzlich sieht man auch das eigene Zuhause wieder mit anderen Augen.

Dies war eine ganz besondere Reise, mit ganz wertvollen Momenten, ich bin sehr erfüllt und glücklich.