Von Lübeck nach…
Meine Radtour beginnt in Lübeck und führt mich immer nach Osten an der See entlang.
Mit dem Zug bin ich nach Lübeck gefahren und habe mir noch die Stadt angeschaut, am nächsten Tag dann endlich los. Der Radweg war unheimlich schön, meist direkt am Meer entlang. Es ist so schön, wie das Meer durch die Bäume leuchtet. Mir begegnen sehr nette Menschen, einer ist sogar ein Stück mit mir gefahren, um mir die richtige Abzweigung zu zeigen.
Ich bin sehr glücklich, es gibt nichts Schöneres, als im Sommer mit dem Rad unterwegs zu sein.
Mein Weg führte mich am ersten Tag bis nach Wismar, vor dem Ziel zogen am Horizont sehr dunkle Wolken auf, da habe ich Gas gegeben und sie tatsächlich noch abgehängt. Also bis jetzt kein Regen, toi, toi, toi.
In dem Gewächshaus wuchsen Erdbeeren, so weit das Auge reichte, alles für die gute Schwartauer Marmelade. Und das große Feld mit den wilden Wolken bestand aus rotem Klee, auch so weit das Auge reichte.
Tag 2 … nach Warnemünde
Bin gestern früh ins Bett gegangen und war folglich schon um 5 Uhr wach, und was nehme ich wahr? Regen! Oh, nein!
Und so sollte es bleiben, den Tag über. Es hat zum Glück nicht aus Kübeln geschüttet und auf den Fotos ist davon auch nichts zu sehen, aber ich habe mich gefühlt 35 mal an- und wieder ausgezogen.
Abgesehen davon war die Tour wieder wunderschön, das Ostseebad Rerik hat mir am besten gefallen, ein kleiner Ort, noch recht ursprünglich geblieben. Es gab einen schönen Geocache, der mir sehr gefallen hat.
Endstation war dann Warnemünde bei Rostock, “wunderschön!”, wie mir die Pensionsgäste den Abend zuvor schmackhaft gemacht haben. Aber als ich Nachmittags in den Stadt gefahren bin, hat es wieder geregnet, erst am Abend ließ es nach, … so konnte ich wenigstens nach dem Abendessen noch eine kleine Runde durchs “Dorf” drehen.
Der Hit ist noch die Unterkunft von heute Nacht, ein recht neues Hostel, riesig groß und es behauptet “das coolste Hostel in Deutschland, ever” zu sein. Ich konnte noch ein Bett im Vierer-Zimmer bekommen. Die Location ist voll durchgestylt und für junge Leute sehr anziehend. Mir gefällt es auch. Mal sehen, wie die Nacht wird. Hoffentlich bin ich nicht der einzige, der schnarcht. 😉
Tag 3 … nach Zingst.
Angefangen hat der Tag mit einem fantastischen Frühstück im “Dock Inn”, draußen sah es eher nach Herbst aus, aber was solls, eine neue Route wartet auf mich.
Heute führte mich die Tour durch tolle Wälder, tolle Küstenabschnitte, tolle Gegenden. Dementsprechend waren auch viele Touris unterwegs, die Radwege ware voll. Ein Geocache war besonders schnuckelig, er hieß der Froschkönig, toll gemacht.
Auf Fischland-Darß bin ich durch den Darßer Urwald geradelt, bis zum Leuchtturm in Darß, ein Geheimtipp, so dachte ich. Weit gefehlt, die Massen begrüßten mich dort. ;-).
Aber rundum ein schöner Tag, … Zingst erinnert mich an einen Ort auf einer Ostfriesischen Insel, kleine Gassen, kleine Häuser, alles sehr gemütlich, hier könnte man gern nochmal wiederkommen.
Ach ja, die “kuschelnden Bäume”, eine Kiefer und eine Buche so eng umschlungen, an ihrem Fuß lag auch ein Geocache. Welche Seelen sich da wohl gefunden haben?
Tag 4 … nach Greifswald
Frühstück in der Jugendherberge, … ich habe gefragt, ob ich auch ein Ei bekommen kann? “Eier gibt es nur an zwei Tagen in der Woche”, kam die Antwort. Tja, Pech gehabt.
Dafür schien die Sonne, die Wiesen leuchteten in einem warmen Licht, der Radweg glatt wie Sahne, es rollte fast von selbst mit dem Wind im Rücken, traumhaft. Fischland-Darß erinnert mich sehr an das Flair auf einer Insel, auch das Hinterland.
Weiter gings auf der Festlandseite um den Bodden bis ich das Ende von Fischland-Darß quasi sehen konnte. Es ging durch kleine verschlafene Dörfer, wo der Bäcker noch mit dem Lieferwagen kommt.
Und schwupps war ich schon in Stralsund, der Marktplatz hat mich beeindruckt, krasse Architektur. Noch etwas durch die Fußgängerzone geschlendert, bis ich am Hafen einen typischen Fischkutter gefunden habe, wo sie Fischbrötchen verkaufen, danach noch ein Eis und weiter gings.
Die Strecke von Stralsund bis Greifswald war völlig untypisch: die Strasse ostdeutsches Kopfsteinpflaster, immer schnurgeradeaus und das 30 Kilometer lang, kurz vor Greifswald noch einen kräftigen Schauer, dann endlich da und 90 Kilometer geschafft.
Tag 5 … nach Usedom
Greifswald hat sich morgens von seiner besten Seite gezeigt: es gab ein Frühstücksei in der Jugendherberge, der Himmel war strahlend blau und ich habe noch einen neuen Lieblingspullover erstanden, den ich am Abend zuvor im Schaufenster gesehen habe, während ich mit meiner Freundin Helene telefoniert habe. 😉
Wie ich später erfahren habe, bin ich an einem Museumshafen vorbei gefahren, habe mich schon gewundert, was hier für viele tolle Segelboote im Wasser liegen. In Eldena bin ich erst durch einen Geocache auf die beeindruckende Klosterruine aufmerksam geworden.
Und etwas später, irgendwo zwischen Greifswald und Usedom war auf einmal mein absoluter Lieblingsort an der Ostsee da. Ich habe ihn sofort erkannt, eine kleine Anhöhe, ein Bank davor im Schatten mit einem wunderbaren Blick auf die Ostsee. Die Küste war nicht zu steil, man konnte gut herunterklettern und unten das Meer genießen, keine Menschenseele weit und breit. Traumhaft! Das Wasser war kühl, aber in der Sonne gut auszuhalten, eine kleine Qualle hat sich mir gezeigt im üblichen Strand-Getümmel.
Weiter in Richtung Usedom kam das Seebad Lubmin, wo ich meine Mittagspause auf einer Bank in der Nähe der Seebrücke abgehalten habe. Dieser Ort ist vermutlich fürchterlich spießig, aber er hat sofort eine Platz in meinem Herzen gefunden, weil er nicht so war, wie all die anderen Seebäder an der Ostsee. Seine Seebrücke war nicht so protzig, die Häuser eher bescheiden, und es gab auch nur eine Bude am Meer,… “Thüringer Pfannkuchen”, davon hatte ich bisher auch noch nicht gehört, der Pfannkuchenbäcker sah dazu eher holländisch aus, war aber sehr redselig und sympathisch.
Die Überfahrt nach Usedom bei Wolgast vollzog sich auf einer neu aussehenden Brücke, die für die großen Segler ihre Fahrbahn hochklappen konnte, schick in weiß und blau gehalten. Ein guter Eindruck.
Usedom selbst hat einen fast 40 Kilometer langen weißen und traumhaften Sandstrand. Einen ersten Eindruck davon habe ich etwa in der Mitte bei Trassenheide bekommen. Hier war schon klar, dass Usedom es durchaus locker mit den Ostfriesischen Inseln in der Nordsee aufnehmen kann. Von wegen “Ostsee und ihr habt ja keine richtigen Wellen, wie wir in der Nordsee”. Auf Usedom bekommt die Nordsee eine sehr ernstzunehmende Konkurrenz. Wer hat sonst hat schon einen 40 Kilometer langen traumhaften weißen Sandstrand? Da kommt selbst Thailand nicht mit, wagen einige Zungen zu behaupten.
Und solltest du mal auf Usedom sein, dann nimm bitte dein Fahrrad mit, oder leihe dir eines vor Ort aus, die Fahrt an der Küste entlang ist unbeschreiblich, ich möchte behaupten, allein für diese 40 Kilometer kann man gut ein paar Tage verbringen, möchte man die einzelnen Orte besichtigen und genießen. Ich habe mir leider nicht so viel Zeit genomme, nur hier und da mal geschaut und auch nicht an den leckeren Buden die verlockenden Getränke und Speisen mir zugeführt. Also hier kann man einen echten Genuß-Rad-Touren-Weg bekommen.
Kulturell ist Usedom auch nicht von schlechten Eltern, ich habe an nur einem Tag gleich zwei wunderbare Konzerte mitbekommen, natürlich umsonst und draußen.
Den Abschluß bildete die Jugendherberge in Heringsdorf, sehr freundlich, zuvorkommend und ich habe das Glück ein 6-Bett Zimmer für mich allein zu haben. An diesem Ort stimmt einfach alles. Wenn ich nun morgen noch ein Frühstücksei bekomme, dann ist alle perfekt.
Tag 6 … nach Polen
Mann, habe ich mir viele Gedanken gemacht, im Vorfeld. Ich wusste ja überhaupt nicht, was mich erwartet in Polen. Ich bin es bisher gewohnt gewesen, mit meinem Englisch überall kommunizieren zu können, … aber in Polen? Irgendwo in mir wusste ich, so schlimm wird es nicht kommen, aber so richtig beruhigt hat mich das nicht.
Dafür bin ich jetzt, nach dem ersten Tag in Polen beruhigter. Ich kann die Schrift lesen, ich bin in touristischen Gebieten unterwegs, irgendjemand spricht immer Deutsch oder Englisch und im Notfall habe ich ja noch meinen Google Übersetzer, der spricht sogar Polnisch.
Die Landschaft ist weiterhin toll, aber von dem ganzen Drumherum habe ich mir mehr versprochen. Polen ist einfacher, nicht so aufgeräumt, die Wege sind nicht so gepflegt, und die Werbung ist hier noch greller und noch größer, als wolle man damit die Schmuddelecken einfach wegmachen.
Die neuen Häuser sehen genauso aus, wie bei uns, die Restaurants haben das gleiche Essen und sind genauso schick, und doch wirkt es ganz anders, weil die Zwischenräume noch das alte Lied singen. Und viellicht ist das auch ganz gut, sonst hätte Polen keine eigene Identität mehr. Krass, wie in einem ehemaligen kommunistischen Land der Kapitalismus alles auf einmal übertüncht. Wohlgemerkt ist dies mein Eindruck nach nur einem Tag und ich bin nur an der touristischen Küste unterwegs gewesen.
Im Vergleich zu dem, wo ich gerade herkomme, ist das hier natürlich ernüchternd und wirkt nicht richtig schön. Aber gegen Usedom noch anstinken zu wollen ist ein sehr hoher Anspruch und auch gar nicht angebracht.
Mit der Zimmersuche habe ich mich etwas schwer getan. Ich habe gelesen, in jedem Badeort gibt es eine Touristeninformation, die da weiterhelfen kann. In Rewal habe ich die erste Touri-Info nicht gefunden, die zweite fühlte sich für Unterkünfte nicht zuständig. Also selbst bei Google-Maps geforscht und mutig drauf los. Zum Glück konnte die erste Pension etwas Deutsch sprechen und da bin ich dann auch gleich geblieben.
Noch etwas zu den Fahrradwegen in Polen: im Grunde ist es genauso wie in Deuschland, nur die Bandbreite ist noch größer, d.h. es gibt völlig versandete Wege, wo man nur noch schieben kann und genauso gibt es den gerade neu hergestellten 3 Meter breiten Radweg neben der Landstrasse, wo man nur so dahingleitet. Die kleinen Landstrassen sind eher die letzten 30 Jahre nur geflickt worden und die Betonwege weisen doch erhebliche Höhenunterschiede zwischen den einzelnen Platten auf. Trotzdem bin ich in der gleichen Zeit ganuso weit gekommen, wie in Deutschland, natürlich etwas mehr durchgerüttelt.
Ach und noch etwas, die arbeitende Bevölkerung ist in Polen doch eher wieder an ihrem Arbeitsplatz angekommen, als in Deutschland. Während auf Usedom noch echter Tourirummel tobt, ist hier der touristische Herbst schon längst Realität, viele Läden und Restaurants machen gar nicht mehr auf, dadurch wirken die Orte schon fast ausgestorben.
Gleich nach der Grenze tauchte neben dem Hinweis auf den Radweg auch ein Symbol einer Kanone auf, das ließ mich etwas stutzen, aber es hat sich relativ schnell aufgeklärt. Mitten im Wald befand sich ein ehemaliger unterirdischer Luftschutzbunker, wo sie heute für zahlende Besucher noch Krieg spielen, na, wer es braucht … .
Ostsee-Tag 7 … nach Stettin
Der Blick morgens aus dem Fenster, es ist trist, es ist kalt, es ist nass. Mist. Der Anblick der polnischen Schule ist auch nicht schön und es ist Sonntag.
Ich fahre zeitig los, will noch möglichst viel ohne Regen schaffen, denn der Tag soll vom Wetter her fürchterlich werden. Nach 20 Kilometern fängt es voll an zu regnen, einer dieser fiesen Sprühregen, die in alle Glieder ziehen.
Auf einmal fällt mir ein, “warum eigentlich heute noch in Kolberg bleiben, ich könnte doch auch gleich nach Berlin fahren?!” Kurz der Fahrplan gecheckt, … das könnte klappen, also mal feste in die Pedalen, dass ich den Zug noch schaffe.
Und da passiert es, dieses unangenehme Gefühl, wenn der Reifen nicht mehr richtig federt, sondern immer härter wird, … ein Platten. Nochmal Mist. Zum Glück habe ich einen neuen Schlauch mit, schnell mal eben reinziehen. Aber welch Überraschung, der neue Schlauch passt nicht. Jetzt dreifacher Mist. Gut, dass ich erst vorgestern noch schnell Flickzeug gekauft habe. Als ich alles wieder zusammen habe, bin ich durchnässt und nicht mehr wirklich motiviert. Die Straße ist wieder der Hammer, hier ist von der ursprünglichen Teerdecke nichts mehr zu sehen, nur noch Flicken über Flicken, passt ja zu meinem Reifen. Stimmung am Tiefstpunkt.
Ich schaffe es noch rechtzeitig – Plattform 2 – mein Zug ist da, aber ich sehe keinen Wagen für die Fahrräder, dabei sollte er doch explizit dafür Platz haben. Ich quetsche meins ganz nach hinten zwischen der Aussentür am Ende und dem Klo. Die Fahrt geht los – geschafft. Aber welch Überraschung, der Schaffner kriegt zuviel, ich bin im falschen Zug. Vierfacher Mist. Übernächste Station raus, sagt er und dann mit dem Schnellzug nach Stettin. O.k. – mache ich. Gehe im Bahnhof wieder zum Fahrkartenschalter, … da schlagen sie schon wieder die Hände übereinander: “Ja, ich weiß, ich bin im falschen Zug gefahren. Und nun?” – 2 Stunden Aufenthalt
Ich kaufe mir draussen ein Bier, … da wird wild auf mich eingeschnattert, auf polnisch. Aber ich verstehe nichts. Da kommt der Typ der Frau, der kann Englisch: der ganze Bahnhof und sein Vorplatz sind videoüberwacht, wenn ich hier öffentlich Bier trinke, kommt gleich die Polizei und nimmt mich mit. Au Weia. Was denn noch?
Um mich wieder zu beruhigen und mein Bier noch zu genießen fahre ich los und suche noch einen Geocache. Und irgendwann bin ich dann in Stettin, für eine Weiterfahrt nach Berlin reicht die Zeit nicht mehr, also suche ich mir eine Unterkunft. Für das gleiche Geld, wo ich in Berlin ein Bett im Schlafsaal bekommen hätte gibt es hier ein tolles Hotelzimmer, mit eigenem Bad und allem Pie-Pa-Po. Super! Na bitte, klappt doch!
Am Abend finde ich ein indisches Restaurant und bin voll am Schlemmen, mit Nachtisch unter 20,- €, geil! Auf dem Rückweg höre ich Musik und folge ihr, … ein Open-Air Konzert vom Feinsten, direkt an der Oder, umsonst und draussen. Die Band heißt Sylwia Grzejszczak – und rockt volle Kanne.
Was für ein Tag!